Gedenkabend zur Reichpogromnacht

Seit 1993 findet am 9. November in der Quettinger Kirche eine Veranstaltung statt, die an den Völkermord der europäischen Juden erinnert. Die Veranstaltung stellt immer eine Person, einen Text, ein Kunstwerk etc. in den Mittelpunkt, um eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Holocaust und seinen Folgen zu ermöglichen und auf Einzelschicksale aufmerksam zu machen.
Der Lauf der Zeit will es, dass es immer schwieriger wird, Zeitzeugen für den Abend zu gewinnen, zumal eine solche Veranstaltung für die betagten Gäste zur Strapaze werden kann. In diesem Jahr arbeiten wir daher – wie schon 2017 – mit der Organisation „Zweitzeugen“ zusammen. ZWEITZEUGEN e.V. dokumentiert (Über-)Lebensgeschichten des Holocaust, um sie nachfolgenden Generationen als Zeug*innen der Zeitzeug*innen – als Zweitzeug*innen – weiterzuerzählen. Am diesjährigen Gedenkabend werden Schüler*innen des Landrat-Lucas-Gymnasiums und der Marienschule zu Zweitzeug*innen und stellen die Biographie der Zeitzeugin Herta Goldmann, die heute in Tel Aviv lebt, vor.
„Herta Goldman, geb. Thieberger, wurde am 9. Juni 1928 in Zablatsch in Polen (heute: Zabłocie) geboren. Dort lebte sie zusammen mit ihren Großeltern, Eltern und zwei Brüdern. Ihre Eltern führten ein Geschäft, in dem Herta aushalf, Lebensmittel und Kleinwaren verkaufte. 1939 wurde das Geschäft von den Nationalsozialist*innen beschlagnahmt und die Familie enteignet. Herta durfte nicht weiter in die Schule gehen. Ihr Vater und ihre beiden Brüder wurden inhaftiert und deportiert. Ihre Großmutter und Mutter wurden 1941 nach Auschwitz deportiert, Herta ins Arbeitslager Bolkenhain. Bis Ende Januar 1945 musste Herta Zwangsarbeit leisten in den Lagern Merzdorf, Schönberg und Grünberg. Auf einem Todesmarsch wagte Herta am 4. Februar 1945 einen Fluchtversuch mit 35 weiteren Frauen, von denen fünf auf der Flucht erschossen wurden. Sie konnte sich retten und bis Kriegsende vor den Nationalsozialist*innen als Volksdeutsche getarnt verstecken.“ (zweitzeugen.de)
Anlass des Gedenkabends sind Ereignisse im Jahre 1938: Ein 17-jähriger polnischer Jude, dessen Eltern aus Deutschland ausgewiesen worden waren, hatte auf der deutschen Botschaft in Paris aus Rache ein Attentat auf einen Botschaftssekretär verübt. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels instrumentalisierte das Attentat von Herschel Grynspan in einer fanatischen Rede am 9. November 1938, um gegen die angebliche „Jüdische Weltverschwörung“ den „Deutschen Volkszorn“ zu entfachen. In dieser Nacht setzten Schlägertrupps in ganz Deutschland über 1.400 Synagogen, Betstuben und Versammlungsräume in Brand.