Tel Aviv - Opladen- Berlin
Eineinhalb Stunden. Solange schaffte Betty Bausch (97) es, fast 500 Schüler und Schülerinnen des Landrat-Lucas-Gymnasiums und der Marienschule, zum Schweigen zu bringen.
Vielleicht kann man nicht sagen, was genau so viele Teenager, die sonst mit ihren Redeflüssen Lehrer in den Wahnsinn treiben, nun zur Stille bewegt hat. Auf der einen Seite vermutlich, dass, was man über die grausame Zeitspanne des dritten Reichs zu hören bekam. Jedoch auch die unglaublich starke und bewegende Persönlichkeit Betty Bauschs.
Am 26. April erzählte die Bundesverdienstkreuzträgerin ein weiteres Mal am LLG über ihre Jugend und die Zeit während des Holocausts. Betty Bausch wurde 1919 in der Nähe von Amsterdam geboren. Dort wuchs sie mit zwei Schwestern, einem Bruder und ihren Eltern als Jüdin auf. Die Anfänge Hitlers und die Zeit, als aus seinen Worten Taten wurden, erlebten sie und ihre Familie hautnah mit. Sie und ihr späterer Ehemann waren einige der Wenigen die damals die Reden im Radio verfolgten, sie wollten wissen was geschah, was ihnen vielleicht drohte.
Wie wir alle wissen kam es dann auch genau so. Die Dinge, die kaum einer ernst genommen hatte, wurden schreckliche Realität. Betty Bausch und ihr Mann mussten unter falschen Identitäten leben, sie mussten verschleiern, dass sie Juden waren, so tun als wären sie nur flüchtige Bekannte oder sich vollkommen fremd. Durch einen missglückten Anschlag auf einen Zug der Nazis kamen schließlich beide ins Gefängnis, wo sie von ihren eigenen Landsmännern verhört wurden. Betty Bausch wurde, wegen ihrem fast perfektem Deutsch, dem gefälschtem Pass und den Stunden der Übung, in denen sie gelernt hatte, über ihre Herkunft zu lügen, schließlich frei gelassen. Ihr Mann jedoch überlebte seine Verhaftung nicht.
Wie auch ihren Ehemann verlor sie eine Schwester, ihre Eltern und Schwiegereltern und viele Freunde. Doch auch wenn sie so viel Leid und Unmenschlichkeit miterleben musste, wünscht sich Betty Bausch auf keinen Fall zu einer anderen Zeit geboren worden zu sein. Ihre Eltern hätten ihr viel mit auf den Weg gegeben, sie hätte sehr viel gelernt und außerdem wäre sie eine der ersten Frauen gewesen, welche später in einer höheren Position gearbeitet hat.
Über vieles berichtet Sie noch heute den jüngeren Generationen und möchte nichts lieber tun. Zusammen mit ihrer Schwester hat sie bereits ein Buch namens „Bewegtes Schweigen“ geschrieben und auch ihr Bruder hat bis zu seinem Tod (mit 102) in Amerika Vorträge gehalten.
Natürlich hofft auch das LLG auf noch viele weitere Besuche dieser tiefsinnigen und überwältigenden Frau, welche jedes Mal extra aus Tel Aviv anreist und dieses Mal nach ihrem Aufenthalt im Rheinland direkt weiter nach Berlin fuhr, wo sie eine persönliche Begegnung mit Joachim Gauck hatte, den sie vor wenigen Wochen erst in Tel Aviv kennengelernt hatte.
[Fenja Hornung]