Geschichte hautnah - Zeitzeugengespräch am LLG

Am Montag dem 20. November bekam der Geschichtsleistungskurs von Herr Brendebach Besuch. Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg, Senta Neuber (95) und ihre Schwester Eva Stopka (88) waren ins LLG gekommen, um einem gespannt lauschenden Publikum aus Geschichtsschülern von ihren Erlebnissen zu erzählen. Auch für uns Schüler war es eine neue Erfahrung, mit noch lebenden Zeitzeugen zu sprechen, die so bereitwillig über dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte redeten.
Bereits vor dem Besuch hatten wir uns eine Weile mit dem Thema „Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg“ beschäftigt, weshalb der Vorschlag unserer Mitschülerin Jil Neuber, ihre Urgroßmutter und deren Schwester einzuladen, gut ins Thema passte und auf allgemeine Zustimmung stieß. Obwohl wir uns gründlich vorbereiteten und uns viele Fragen an unsere Besucherinnen überlegt hatten, brauchten wir von diesen am Ende nur wenige, da die beiden von sich aus viel erzählten und unsere Fragen im Voraus vorwegnahmen. Dabei ermöglichten sie uns spannende Einblicke in Leben und Alltag von Durchschnittsdeutschen im Dritten Reich und während des Zweiten Weltkriegs.
Bewegte Zeiten
Laut eigenen Angaben wuchsen die beiden in einem sozialdemokratisch geprägten Haushalt auf, weshalb sie eher systemkritisch waren, auch wenn sie nicht abstritten, dass der Nationalsozialismus eine große Anziehungskraft auf sie hatte und sie ihre Kritik niemals offen äußerten. Als z.B. der jüdische Arzt, zu dem die Familie meistens ging, eines Tages von Männern der SS verschleppt wurde, sei zumindest den Kindern sogar vorsorglich verboten worden, mit jüdischen Kindern zu spielen. Gerade für Eva Stopka, die zu dieser Zeit noch zur Schule ging, sei dies recht überraschend gekommen, da sie noch nicht viel von den politischen Verhältnissen mitbekam, wenn man mal von den Morgenappellen in der Schule absieht. Eine halbjüdische Arbeitskollegin von Senta Neuber habe Nationalsozialismus und Krieg zwar überlebt, dies sei aber vor allem der Tatsache zu verdanken, dass ihre Eltern sich bereits im Ersten Weltkrieg hervorgetan hatten und sie sich mit deren Anerkennungen und Auszeichnungen, die sie immer bei sich trug, irgendwie durchschlagen konnte. Später im Krieg wurde sie von ihrem Verlobten, der eine wichtige Position im besetzten Polen innehatte, versteckt.
Den Krieg selbst erlebten unsere beiden Besucherinnen nur als Zivilisten, was aber zumindest gegen Ende des Krieges hart genug war. Jegliche Gerüchte von der Front, der Krieg sei schlecht oder Deutschland könne ihn vielleicht sogar verlieren, wurden, teilweise auch von den Kollegen, scharf unterdrückt und mit der Androhung einer Anzeige bestraft. Auch unter ständigen Bombenangriffen hatte Deutschland zu dieser Zeit bereits zu leiden: Eva Stopka hatte einmal pures Glück, dass ihre Schwester sie davon abgehalten hatte zur Schule zu gehen, da diese an jenem Tag bombardiert und ein Großteil ihrer Klasse getötet wurde.
Richtig schlimm sei es allerdings erst geworden, als die Rote Armee begann, in Berlin einzumarschieren, wo die beiden zu dieser Zeit wohnten. Eva Stopka, die zu dieser Zeit zum Bund der Deutschen Mädel gehörte, wurde sogar mit einem handschriftlichen Zettel dazu aufgefordert, sich an einem bestimmten Treffpunkt einzufinden, vermutlich, um bei der Verteidigung zu helfen. Ihre Schwester hielt sie jedoch davon ab und stellte sich sogar der einige Tage später wütend auftauchenden Gruppenführerin mit der Begründung entgegen, dass dieser handschriftliche Zettel von jedem hätte kommen können und keinen richtigen Einberufungsbefehl darstellte. Damit kam sie erstaunlicherweise sogar durch. Die Phase, als die Rote Armee Berlin schließlich eingenommen hatte und an vielen Orten Rache an der Bevölkerung nahm, ist die einzige Phase, über die keine der beiden sprechen wollte. Dies wurde zwar von einigen Schülern insofern bedauert, dass gerade diese Zeit im Unterricht nicht sehr beleuchtet wird und sie gerne mehr darüber erfahren hätten, gleichzeitig können sie es jedoch auch verstehen.
Insgesamt ist sich unser LK darin einig, dass der Nachmittag mit Senta Neuber und Eva Stopka eine große Bereicherung sowohl für den Geschichtsunterricht, als auch für unser historisches Wissen und Verständnis insgesamt war.
Von Laurin Wallmichrath, Q2