„Das Abitur ist ein Klacks“ - Interview mit dem Erasmusschüler José Antonio Mota
Interviewer: J. Freyn
José, bist du gut in Deutschland angekommen?
Aber ja! Zufälligerweise fiel der erste Teil meines Aufenthalts mit den Karnevalstagen zusammen. Das war überwältigend, in gewisser Weise sogar ein Schock. Ganz unvorbereitet war ich aber nicht, denn in Spanien feiern wir auch Karneval, genau zur selben Zeit. Hier ist es besonders intensiv. Wir besuchten Umzüge, manchmal schon am Morgen, und feierten durch bis Mitternacht. Ohne Plan, wir haben uns einfach treiben lassen.
Das ist sicher nicht die schlechteste Art, einen Aufenthalt im Rheinland zu beginnen. Gibt es Elemente des rheinländisches Karnevals, die dich überraschen oder dir besonders gut gefallen?
Ja, die politische Dimension. Ich sah Wagen am Rosenmontag, die die deutsche Politik karikierten. Auf einem Wagen sag ich Kanzler Scholz, auf einem anderen die frühere Kanzlerin Merkel. Das hat mir sehr gefallen.
Bist du trotz des vielen Feierns überhaupt noch zum Lernen gekommen? Ich frage das mit Augenzwinkern.
Aber ja, das war kein Problem. Wissen Sie, in Spanien ist die Schule härter. Wir müssen alles „by heart“ studieren. Wir haben auch Labore, doch benutzen sie nie. Wir müssen alles auswendig lernen und haben mehr Hausaufgaben auf, als man sich hier überhaupt vorstellen kann. Und ständig gibt es Zusatzaufgaben. Demgegenüber ist das Abitur hier ein Klacks!
Das sind starke Worte! Wie sind dir denn die Lehrkräfte dieser Schule begegnet, und welchen Eindruck hast du überhaupt von ihnen gewonnen?
Oh, das hängt natürlich stark vom Lehrer ab. Aber ganz generell war man zu mir unglaublich nett, fantastisch. Man begegnete mir sehr entgegenkommend.
Für besondere Freundlichkeit sind wir Deutschen in der Welt nun nicht gerade berühmt. Reden wir über Klischees!
Oh, da haben Sie Recht. Kulturelle Klischees sind ja nicht immer falsch, denke ich. Letztesl Jahr war ich zum Beispiel in Texas. Es war sehr gut, aber die Gemeinplätze über Texas sind so abwegig nicht. Sie wissen tatsächlich nichts über Geographie. Das Klischee trifft also zu.
Und hier in Deutschland?
Hier in Deutschland ist es etwas komplizierter. Die meisten Leute begegneten mir freundlich. Was aber stimmt: Deutsche sind sehr organisiert, und die Lehrkräfte tragen die Organisation in die Klasse und die Kurse.
Das finde ich interessant. Es gibt nämlich gerade einen Diskurs darüber, ob die sogenannten deutschen Tugenden derzeit ein wenig schwinden.
Da Sie es sagen, über manches habe mich schon gewundert, etwa darüber, dass das Römisch-Germanische Museum nicht offen war. Aber ganz grundsätzlich ist man in Deutschland viel organisierter, das ist wirklich so.
Magst du ein Beispiel geben?
Kar. In Spanien habe ich manchmal Montags, Dienstags, Mittwochs, Donnerstags Klausuren, weil das nicht zentral organisiert wird und niemand sich abspricht. So machen wir uns selbst das Leben schwer. Aber natürlich hat auch Spanien viele guten Seiten, ich denke, wir haben zum Beispiel auch sehr gute Universitäten. Hier in Deutschland gibt es aber viel mehr Möglichkeiten – mehr scholarships. In Spanien gibt es das in der Form nicht, dabei haben wir viel Potential.
Lieber José, ich danke dir herzlich für dieses Gespräch!